(Foto Philipp Hönig)
„Oratorienchor singt über Zauber, Spuk und dunkle Mächte“
„Thomas Kammel bringt zur Walpurgisnacht mit dem Oratorienchor ein höllisches Konzert mit christlichem Schluss in die Ulmer Pauluskirche - und muss erst einmal ein Problem lösen“
„Ostwand und Altarraum der Pauluskirche leuchten rot, die Sängerinnen und Sänger des Oratorienchors sind schwarz gekleidet. Das feuerrote Einstecktuch von Solist Wolfgang Newerla wirkt wie eine flackernde Flamme. Der Oratorienchor präsentiert unter Leitung von Thomas Kammel kurz vor der Freinacht zum 1. Mai ein außergewöhnliches Konzert mit hochkarätigen Solisten um Zauber, Spuk und dunkle Mächte mit letztlich christlichem Ende.
[…] Dämonisch ging es zu - und Kammel hatte noch dazu ein großes ganz reales Problem zu lösen, denn die vorgesehene Sopranistin Katarzyna Jagiello erkrankte kurz vor dem Konzert. Hochachtung an Maria Rosendorfsky, einen der Stars des Opernensembles des Theaters Ulm, die aus der Sonntagsnachmittags-Aufführung von Wagners „Parsifal“ in die Pauluskirche kam – rechtzeitig, um im zweiten Teil des Oratorienchor-Konzerts auftreten zu können. Im ersten Teil sangen die Rolle der alten Frau aus dem Volk die Frauen des Chores selbst.
Goethe schrieb die Ballade „Die erste Walpurgisnacht“ 1799 – nur sechs Jahre nach der letzten überlieferten Hexenverbrennung in Europa, die im südlichen Preußen geschah. Von Felix Mendelssohn-Bartholdy wortgenau vertont, wird der Text der umfangreichen Ballade zur Grundlage einer unheimlichen und mitreißenden Programmmusik - von der Kammerphilharmonie Bodensee-Oberschwaben als wuchtiger Hexensabbat inszeniert - vom Oratorienchor lautmalerisch interpretiert.
Tenor Daniel Schliewa, im Vorjahr Viertelfinalist bei Placido Domingos „Operalia“, verkörperte den Druiden und seine unheimliche Macht in einer Weise, die an Wagner denken ließ, und Bariton Wolfgang Newerla - Gast an internationalen Opernhäusern und mehreren Staatstheatern - war anzusehen, dass er seine Freude an der ungewöhnlichen Aufgabe hatte, die Rolle eines Druiden-Wächters und eines Priesters zu singen, „die dumpfen Pfaffenchristen“ zu verspotten und den Glauben zu beschwören.
Im zweiten Teil des Konzerts erwartete eine auf etwa 90 Minuten gekürzte konzertante Aufführung der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber das Publikum.
[…] Als Kaspar konnte Thomas Kammel den Bass Gabriel Fortunas gewinnen, der Yehudi Menuhin-Stipendiat war und unter anderem Preisträger des August Everding- Musikwettbewerbs ist. Seine theatralischen Fähigkeiten überzeugten so sehr wie seine gesanglichen. Stehende Ovationen feierten alle Solisten, Chor und Orchester unter Kammels Leitung, Sprecher Gunther Nickles - besonders aber, dass Maria Rosendorfsky nach der mehrstündigen Parsifal-Aufführung noch eingesprungen war, um die Aufführung zu retten.“
Dagmar Hub in der Neu-Ulmer Zeitung vom 30.4.2024
(Foto Philipp Hönig)
„Romantik und dunkle Mächte“
„Pauluskirche Ulm. Der Oratorienchor Ulm, Orchester, Vokalsolisten und Erzähler im Bann der „Walpurgisnacht“.“
„Mut und Fantasie für ein außergewöhnliches Programm, die großartige Leistung des imposanten Aufführungsapparats von rund 130 Mitwirkenden unter Thomas Kammel zahlten sich in der Pauluskirche aus: Ein Abend mit Event-Charakter für die gefesselt lauschende, knapp 500-köpfige Hörerschaft. Blumen und Standing Ovations. Romantik pur, von den Höhen des Harzer Brockens in Felix Mendelssohn-Bartholdys selten aufgeführter Kantate „Die erste Walpurgisnacht“ zu den Tiefen der Wolfsschlucht in Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ (1821), die ab Juli auf der Bregenzer Seebühne gegeben wird. Zauberkräfte, dunkle Mächte und Nächte - lange vor Harry Potter.
[…] Kammels hellwaches Dirigat war Garant für das reizvolle Zusammenspiel: strahlend, präzise der Oratorienchor Ulm, erstklassig die Kammerphilharmonie Bodensee- Oberschwaben (Konzertmeister Camillo Sánchez-Gomez), darunter feine Horn-, Klarinette- und Oboe-Soli. Keine Wünsche ließen auch Daniel Schliewa (Heldentenor) und Wolfgang Wederla (Bariton) bis zum Final-Hymnus offen.
In „Ouvertüre und Szenen aus dem Freischütz“, die Kammel gewählt hatte, komplettierten Gabriel Fortunas (Bass) und Maria Rosendorfsky das ausdrucksstarke Vokalsolisten Quartett. Die Sopranistin, eingesprungen für die erkrankte Katarzyna Jagiello, war von Wagners „Parzival“ im Theater Ulm herbeigeeilt. Brillant auch ihr Kollege Gunther Nickles in Sprecherrollen als Erzähler und Teufel. Diesem gehört eine der sieben „Freikugeln“, die Kaspar (Gabriel Fortunas) und Max (Daniel Schliewa) mitternächtlich in der Wolfsschlucht gießen: Für Max („Durch die Wälder …“) ist ein erfolgreicher Probeschuss Voraussetzung für die Ehe mit Förstertochter Agathe.
Im Kampf von Gut und Böse führen Arien und Chorpartien wie „Jungfernkranz“ und „Jägerchor“ zum Happy End für Max und Agathe - ebenso für alle Mitwirkenden und das begeisterte Publikum.“
Christa Kanand in der Südwest-Presse vom 30.4.2024